Posturale Ausgleichsstrategien des Beckens und der Lendenwirbelsäule bei Patienten mit Femurkopf Hochstand
Poster und Vortrag auf dem deutschen Wirbelsäulenkongress 2013
De Monte, G.; Geckeis, D.; Eßer, T.; Franz, C; Lehmann, F.; Rosenow, M.; Gassen, M.
Qimoto Labor für Bewegungs- und Funktionsdiagnostik, Wiesbaden, Deutschland
Einleitung:
Beinlängendifferenzen – hier definiert als Femurkopf-Hochstand (FKH) – stellen ein häufiges Problem dar, unter welchem 40% bis 70% der Bevölkerung leiden (Gurney, 2001). In der Literatur werden unterschiedlichste statische Kompensations-mechanismen des Körpers auf eine vorhandene Beinlängendifferenz genannt. Brady et al. (2003) beschreibt eine skoliotische Abweichung der Wirbelsäule in Richtung des verkürzten Beins als typische Reaktion. Praktischen und bisher nicht ausreichend überprüften Erfahrungen zufolge treten auch gegensätzliche Abweichungen der Wirbelsäule in diesem Zusammenhang auf. Das Ziel der vorliegenden Studie ist, die unterschiedlichen Ausgleichsstrategien von Becken, Kreuzbein und Lendenwirbelsäule (LWS) in der frontalen Ebene bei Patienten mit FKH zu beschreiben.
Material/Methode:
Zur Bewertung der Ausgleichsstrategien wurden 46 Patienten im Alter von 39-69 (52 ± 12) Jahren mit einseitigem FKH von 1mm bis 19mm (7 ± 5mm) analysiert. Als Testparameter wurden Richtung und Höhe der Seitendifferenz der Beckenkämme, des Kreuzbeins, des vierten Lendenwirbels, sowie Form und Richtung der Lotabweichung der LWS ermittelt.
Bei allen Patienten wurden eine 4D-Rückenvermessung, sowie je eine antero-posteriore Röntgenaufnahme der LWS und des Beckens durchgeführt. Deskriptive Statistiken, Korrelationen (Spearmen) und Mittelwertsvergleiche (Mann-Whitney-U) zwischen allen erhobenen Parametern wurden genutzt, um den Zusammenhang zwischen dem FKH und der Ausgleichsstrategie zu beschreiben. Das allgemeine Signifikanzniveau wurde auf α=0,05 festgesetzt.
Ergebnisse :
Becken, Kreuzbein und vierter Lendenwirbel entwickelten in mehr als der Hälfte aller Fälle einen Hochstand auf der gleichen Seite des FKH. Allerdings reagierten die besagten Strukturen oft auch entgegen der erwarteten Abweichung. Die durch das Röntgen ermittelten Richtungs-Parameter, Hochstand des Beckens (r=0,71) und Kreuzbeinhochstand (r=0,65) zeigen eine starke Korrelation mit dem FKH. Es konnte kein Zusammenhang zwischen der Ausbildung einer bestimmten Form der Wirbelsäulen Lotabweichung und der Amplitude des FKH festgestellt werden.
Diskussion:
Die Studie zeigt vielfältige posturale Ausgleichsstrategien von Becken und Wirbelsäule bei Patienten mit FKH. Es gibt zwar starke Tendenzen der betroffenen Strukturen immer eine bestimmte Ausgleichsstrategie zu verfolgen; jedoch treten in der Praxis auch gegenläufige Reaktionen auf. Bei Betrachtung von Beinlängendifferenzassozierten Problematiken ist eine detaillierte Beschreibung der individuellen Ausgleichsstrategien notwendig um eine korrekte Therapie einzuleiten. Diese Studie verdeutlicht die Bedeutung einer ausführlichen Analyse der gesamten Rücken-Becken Interaktion, mit darauffolgend differenzierter Behandlung und Therapie bei Patienten mit FKH.
Literatur:
Brady, R.J., Dean, J.B., Skinner, T.M. & Gross, M.T. (2003). Limb Length Inequality: Clinical Implications for Assessment and Intervention. Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy, 2003, 33(5), 221-234
Gurney, B. (2001) Leg length discrepancy. Gait and Posture, 2002 (15), 195-206.